von Anja Antony
Das Erste, was ich von Filia sah, war Licht. Das Taxi aus Mytilini fuhr in der Nacht meiner Ankunft die Passtrasse hinunter und im Talkessel weit unter uns leuchteten einige Lichtpunkte schwach in der Dunkelheit. Das Dorf hielt sich zurück in der Beleuchtung, es zeigte ein verhaltenes Glimmen seiner Lichter, ganz so wie es sich für ein verstecktes Bergnest gehört, welches einst in einem Talkessel, fern der Küste, Schutz vor Piraten und Seeräubern suchte.
Die Platia und die angrenzenden Plätze werden durch die Fenster der Kafenia hell ausgeleuchtet, während so manche Gasse im Dunkeln bleibt, bis sie einmal im Monat vom Vollmond mit dunkelblauen Schatten überzogen wird.
An den großen Steinquadern der Mittelschule leuchtet modernes LED-Licht, das selbstbewusst in eine helle Zukunft weist. Fern von der Ortsmitte ist die Beleuchtung ungewiss. Mal taucht die Neonlampe einer Straßenlaterne einen Platz oder eine Wegkreuzung in hellweißes Licht, dann wieder schließen sich dunkle Gassen an, durch die sich der Fuß tastend den Weg suchen muss. Aus den Fenstern der Häuser scheint wenig Licht nach draußen, aber gelegentlich führt der Weg auch an einem Innenhof vorbei, dessen Bewohner schwätzend im Freien sitzen und der in warmen Farben ausgeleuchtet ist.
Im Museum habe ich besonders gerne die Objekte im Licht der Nachmittags- und Abendsonne fotografiert. Die Blätter der großen, orientalischen Platane vor dem Fenster fächelten das Licht der untergehenden Sonne in den Raum und färbten die verstaubten Räume in warmes Orange. Kleine Reflexe und Schatten huschten über die Regale, Vitrinen und die Objekte schienen sie zum Leben zu erwecken. Auch auf die kleine Sammlung der Lampen, die in der hintersten Ecke zusammengestellt war, fielen dann die Strahlen der tief stehenden Sonne. Dort stehen Petroleumlampen in allen Größen und Formen, meist sind sie aus Glas und kunstvoll bemalt. Eine hat es mir besonders angetan. Der schlanke, hohe Lampenfuß besteht aus schwarzem Glas auf das mit weißer Farbe ein Stickereimuster aufgebracht ist. Ich kann mir die Lampe gut auf einem der vielen Spitzendeckchen vorstellen, die in den Truhen mit der Weißwäsche schlummern. Die Glaskolben der Lampen waren für Kosmosbrenner gedacht, die Ende des 19. Jahrhunderts in ganz Europa verbreitet waren und in keinem Haushalt fehlten. Anhand der Kolbenform lässt sich auch darauf schließen, dass den Haushalt der Familie Karagianopoulou unter anderen auch eine Lampe der Firma Ehrich & Graetz mit Matadorbrenner erhellt hat.
Auf einer Messinglampe ist das deutsche Wort „Wunderlampe“ aufgeprägt, doch das schmutzige und stumpfe Metall verrät, das schon lange niemand mehr dieser Verheißung gefolgt ist.
Die große Zeit der Petroleumlampen recht kurz. Sie waren nur zwischen 1870 und der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert verbreitet. Erst mit der Destillation von Erdöl zu Petroleumgasen war überhaupt dessen Einsatz als Leuchtstoff möglich geworden. Wenig später schon setzte jedoch Eddisons Glühlampe und die beginnende Elektrifizierung dieser Art der Beleuchtung ein Ende. Dennoch galten sie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts als technischer Fortschritt. Das raffinierte Erdöl war viel weniger zähflüssig als anderes Lampenöl, konnte so leicht den Docht hochkriechen und im Glaskolben der Lampe hell und gleichmäßig verbrennen. Das Licht dieser Lampen des bürgerlichen Zeitalters war, verglichen mit den bis dahin benutzten Öllaternen, so hell, dass ihre Leuchtkraft lange im Mehrfachen der Einheit „Kerzen“ angegeben wurde.