Bäuerliche Arbeit

von Ulrike Krasberg

Das öffentliche Leben im Dorf, das schon vor dem Hoftor beginnt und auf dem Hauptplatz, der agorá, mit seiner Schatten spendenden Platane und erst recht in den Kafenía Publikum und Arena bekommt, ist die andere Seite der bäuerlichen Arbeit, die sich außerhalb des Dorfes abspielt. Die Härte und Einsamkeit der Arbeit mit den Tieren in den Bergen oder der Gemüseanbau weitab vom Dorf wird erträglicher durch das Wissen um das gesellige Leben im Dorf, dessen “kultivierte” Umgangsformen den Kontrast zur “Unzivilisiertheit” oder anarchía,wie die Bauern es nennen, der sie umgebenden Natur bilden.

Das Kopftuch der Männer. Foto: U. Krasberg, 1986

Noch vor zwanzig Jahren waren viele Gemüsegärten, Olivenhaine und die Tränken der Herden außerhalb des Dorfes nur über felsige Pfade mit dem Esel erreichbar. Wenn Giorgos morgens und abends mit den gefüllten Wasserkanistern auf seinem Maultier zu den Schafen aufbrach, dann ritt er in Ermangelung eines Wegs durch das trockene Flussbett in die Berge hinauf. Wenn er so auf dem gleichmäßig schwankenden Muli hockte, einen Fuß auf dem seitlich am Sattel in einem lockeren Bogen hängende Seil gestellt, das andere daneben baumelnd, dann konnte er wie nirgends sonst in seine Gedanken versinken. Dann hörte er vielleicht Manolis singen, der seine Lieder ungeniert von den Bergen widerhallen ließ oder traf einen anderen Bauern, mit dem er ein paar Worte wechselte – ein kurzes Gespräch, nicht viel anders als im Dorf, aber ohne Publikum und den Zwang zur Selbstdarstellung. Heute sind die meisten Pfade in die Berge hinein zwar mit dem Pickup oder einem Motorrad befahrbare Schotterstraßen, die Qualität des Alleinseins in den Bergen aber ist immer noch ein durchaus geschätztes Spezifikum der landwirtschaftlichen Arbeit.

Bauer auf dem Weg zu seinen Feldern und Tieren. Mitte 20. Jhd. Fotograf unbekannt
Trockenmauer mit Treppe. Foto: A. Antony, 2015

Zolon zum Beispiel hatte, als er sich eine Herde von hundert Schafen zulegte, aus deren Milch er hervorragenden Käse machte, schon zwanzig Jahre in Deutschland gearbeitet, seiner Tochter ein Haus gebaut, dem Sohn ein Studium finanziert und für sich und seine Frau ihr altes Haus umgebaut. Die meiste Zeit des Jahres lebte er nun bei seinen Tieren in den Bergen. Ins Dorf kam er nur, um seinen Käse zu verkaufen, und wenn seine Frau sich über seine allzu lange Abwesenheit beschwerte. Wenn er dann ab und zu abends im Kafenion erschien, wurde er mit großem Hallo begrüßt, denn seine Fähigkeiten zur Unterhaltung und beim Tanzen waren anerkannt und geschätzt, auch wenn er nie einen Hehl daraus machte, dass er die Ruhe der Berge der lärmenden Geschwätzigkeit der Kafenía vorzog.

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