von Ulrike Krasberg
Die europäische kosmopolitische Oberschicht, zu der auch die Familie Karagianopoulos gehörte, schmückte im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Wohnräume gern mit Gemälden, deren Motive aus der griechischen Mythologie stammen. Die Originale dieser Drucke Achilles beweint den Tod Patroklos und Achilles Schleifung Hectors sind Werke des Malers Gavin Hamilton (1723 – 1798). Sie befinden sich in der Schottischen Nationalgalerie in Edinburgh und im British Museum in London. Hamilton gilt als Begründer der englischen „Neoklassik“ und der bürgerlichen Salonmalerei.
1821 war es Griechenland gelungen – auch mit Hilfe europäischer, vor allem deutscher Philhellenen – sich aus dem Osmanischen Reich zu lösen. Wie alle neugegründeten Nationalstaaten in Europa legte sich auch der griechische Staat eine nationale Identität zu, die aus mehr oder weniger weit zurückliegenden historischen Epochen konstruiert wurde. Er nahm für sich in Anspruch Erbe des antiken Griechenlands zu sein. Diese nationale Identität wurde auch von Europa anerkannt. Denn Europa, vor allem seit dem Humanismus, sah im antiken Griechenland das Vorbild, die „Wiege“ der eigenen Demokratie und damit bekam Griechenland den Status eine europäische Nation zu sein. Diese nationale Identität als „Erben der Antike“ blendete jedoch die vorhergehenden 2000 Jahre der byzantinischen und osmanischen Epoche aus. Erst heute wird diesen Epochen in Griechenland mehr Beachtung geschenkt.
Der Widerspruch zwischen der christlich-orthodoxen Identität der griechischen Bevölkerung und der offiziellen nationalen Identität, bezogen auf die heidnische(!) Antike, begleitete von Anfang an die Nation. Die christlich-orthodoxe Identität setzte mit der Christianisierung in der byzantinischen Epoche ein und einte die Griechen auch im Osmanischen Reich. Christliche Traditionen, Sitten und Gebräuche bestimmen noch heute das Leben in Griechenland und begleiten wie ein Schatten die offizielle nationale Identität als Erben der Antike.
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