von Ulrike Krasberg
Das Gebäude, in dem das Museum Filia – offiziell „Heimatmuseum der Kirchengemeinde Filia“ (Ekklisiastikon Laikon Mouseion Filias) genannt – untergebracht ist, gehörte bis 1972 der Familie Georgos Karagianopoulos. Als Evstratios (Sohn des Georgos Karagianopoulos) das Haus der Kirche vermachte, gab es in der Familie – so wird es im Dorf kolportiert – keine direkten Nachkommen als Erben mehr. (Siehe auch das Gespräch mit Frau Stasa über die Familie Karagianopoulos). Die Verantwortung für das Museum trägt heute der jeweilige Pope des Dorfs.
Ursprünglich war das Gebäude – direkt neben der Kirche am Hauptplatz von Filia gelegen – eine Art Handelskontor, das in den 1870er Jahren der Vater von Evstratios, Georgos Karagianopoulos, hatte bauen lassen und das 1896 noch mit Anbauten versehen wurde. Ebenerdig gab es einen Lebensmittelladen, den die Familie betrieb und Lagerräume, im Obergeschoß waren das große Kontorbüro mit sieben Fenstern in drei Himmelsrichtungen und drei Nebenräume untergebracht.
Die Familie besaß noch drei weitere Häuser in Filia. In einem, in der vom Platz in nördliche Richtung abgehenden Gasse wohnte sie selbst. Schon bevor Maria, die letzte der Familie Karagianopoulos starb, gab es die Idee, dieses Haus mit allen Einrichtungsgegenständen, Möbeln, Geschirr, Teppichen und auch Kleidung in ein Museum zu verwandeln. Diese Idee wurde aber nicht verwirklicht. Stattdessen wurde das Inventar des Wohnhauses in das Kontorhaus gebracht, um dort ein Museum einzurichten. Die Umsetzung zog sich über viele Jahre hin, es wurden auch Ausstellungsvitrinen vom örtlichen Schreiner angefertigt, aber das „Museum“ blieb ein Provisorium. Das Wohnhaus der Familie war ebenfalls der Kirche vermacht worden und dient heute als Dienstwohnung für den Popen von Filia.
Fast alles Land, das heute das Gebiet der Gemeinde Filia ausmacht, gehörte der Familie Karagianopoulos. In der osmanischen Zeit hatten die Bauern und Viehzüchter von Filia das Land, das sie bewirtschafteten, von Georgos Karagianopoulos gepachtet und zahlten ihm dafür jährlich Abgaben. Nach der Gründung des griechischen Staats 1822 (die Insel Lesbos kam erst 1912 dazu) wurde den Bauern das Land, das sie bewirtschafteten, zwar vertraglich zugesprochen, die praktische Umsetzung dieses Gesetzes wurde aber meist nicht dem Buchstaben getreu durchgeführt. Man half sich mit Absprachen, und bis heute ist die Klärung der Besitzverhältnisse in der Gemeinde Filia nicht durchgeführt.
Die Familie Karagianopoulos war schon im vorletzten Jahrhundert für die Belange der Dorfverwaltung und sozialer Aufgaben zuständig. Die Ältesten der Familie waren nicht nur Archonten (Lehnsherren) sondern auch Dimogerontas (Dorfälteste/ Bürgermeister). Die Karagianopoulos kümmerten sich vor allem um das Schulwesen. Sie ließen eine Schule bauen, sorgten für das Inventar und stellten Lehrer ein. Heute hat die Familie Kalfagianis mit ihrer Stiftung diese Tradition der finanziellen Förderung und Unterstützung der beiden Schulen (Grundschule und Realschule) in Filia übernommen.
Nach dem Tod von Georgos Karagianopoulos (1922) und dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Gebäude vermietet und zu einem Hotel umfunktioniert. Im unteren Teil waren ein Restaurant (Gastraum und Küche), oben das Hotel mit drei oder vier Zimmern, und hinter dem Haus gab es noch einen Hof. Übernachtet haben dort Fremde, die (vielleicht als Händler) im Dorf zu tun hatten und keine persönlichen Kontakte zu Dorfbewohnern hatten, bei denen sie hätten beherbergt werden können.
Im Zweiten Weltkrieg besetzte die Deutsche Wehrmacht das Gebäude. Dorfbewohner erinnern sich noch an einen deutschen Soldaten namens Otto. Die Besatzer beschlagnahmten Olivenöl, Getreide und andere Lebensmittel und ließen den Dorfbewohnern kaum so viel, dass sie überleben konnten. Entdeckten sie versteckte Lebensmittel, verhängten sie drastische Strafen. 1944 zogen sie ab.
In der Zeit des Griechischen Bürgerkrieg (1945-49) wurde in dem Gebäude eine Polizeistation mit einer Arrestzelle eingerichtet. Die staatliche Macht (Polizei und Militär) war politisch rechts (EDES Nationale Republikanische Griechische Liga), die Dorfbevölkerung aber war mehrheitlich links, Anhänger der ELAS (Griechische Volksbefreiungsarmee). Die in der Arrestzelle für ein oder zwei Tage oder auch eine Woche Festgehaltenen wurden geprügelt und misshandelt. Manche Männer im Dorf flohen in die Berge und blieben dort für Monate, um den Rechten zu entkommen.
Nach dem Bürgerkrieg wurde die Polizeistation ins Nachbardorf Skalochori verlegt. Ab den 1980er Jahren nutzte der Pope im oberen Teil des Gebäudes, in dem die Sammlungsobjekte des Museums nun lagerten, einen Raum als Büro, unten hatte sich die Partei Nea Dimokratia eingemietet, der Fußballverein von Filia und ein Kulturverein, den die Landfrauen von Filia gegründet hatten.